Ein Kampf zwischen Zwei Fronten- Wissenschaftlich fundiertes Hundetraining vs. „Der braucht eine starke Hand“

Warnung: Dieser Text beinhaltet ein paar Schimpfwörter

 

Vor ein paar Jahren geriet ich in eine Situation welche mich bis heute ein bisschen beunruhigt.
Zufälligerweise trafen mein Partner und ich auf einen Bekannten der uns berichtete dass er einen jungen Rottweiler besitzen würde, dass er aber mit ihm in eine andere Hundeschule ginge. Ich bin sehr konkurrenzfähig und kann auch locker damit umgehen wenn ein Bekannter in eine andere Schule geht. Nach der Bekanntgabe folgte jedoch noch eine Begründung, genau diese lässt mich bis heute nicht in Ruhe:

„Weisst du, wir müssen zu einem männlichen Trainer der dem Hund auch mal zeigen kann wo der Hammer hängt und ihn auch mal in die Schranken weisen kann, du bist ja so eher ein Wattepauschwerfer, oder?“.

„Aha“, dachte ich, „ der Typ (eigentlich dachte ich dieses A…..) ist also ein Sexist??“

Ich finde es tragisch dass gewisse Leute das Gefühl haben dass nur Hundetrainer mit Rassen wie Rottweiler, HSH und andere grosse Rassen trainieren können und dass eine Hundetrainerin bei solchen Rassen die Finger davon lassen sollte. Nur schon diese Denkweise ist sehr veraltet (oder es hat mit Intelligenz zu tun). Noch ärmlicher ist wenn das selbst Hundehalterinnen denken:

„ Ich besitze einen grossen schweren Hund, da kann nur ein Hundetrainer helfen, Trainerinnen bekommen das nicht in den Griff.“

Schockierende Aussage, nicht wahr??

Sicherlich gibt es Trainerinnen die sehr emotional sind in den Trainings, Stresssituationen auch noch überinterpretieren und eine zu starke „Mutterrolle“ übernehmen, also unter dem Strich sagt man dem: zu wenig Objektivität. Das gibt es auch bei Männern. Nur das es bei Männer meisten so ist das sie ein Verhalten meistens als aufsässig, dominant und zu wenig unterwürfig interpretieren. Also auch zu wenig objektiv. Objektivität entsteht aus ein paar Zutaten: eine solide Grundausbildung nach neusten Kynologischen Erkenntnissen, Erfahrungswerten, strukturierte Beobachtung für die IST-Zustand Erfassung und dem Wissen wie man danach das beurteilte Verhalten so formen kann das man (Hunde und Mensch) als Team damit umzugehen weiss und so einige Skills erlernt und einsetzten kann. Wer Objektiv ist, kann Verhalten richtig interpretieren.

Das zweite an der Stellungnahme was mich störte war der Begriff Wattepauschwerfer. Ah so, ich muss also mit Würger, Sprühflasche und Steindosen arbeiten damit der Kunde oder die Kundin, mir den Glauben und das Vertrauen schenkt, dass ich mit Hunden über 40kg arbeiten kann oder überhaupt irgendeinem Hund arbeiten kann? Really? Dann danke, aber nein, danke.

Eines ist markant. Selbsternannte Hundetrainer bringen einige Wesensmerkmale mit die dem Kunden Sicherheit schenken:
Versprechungen und starke Worte auf den Internetseiten, Keine Ausbildungsnachweise-dafür mehr Schwerpunkt auf Erfahrung oder Pseudoausbildungen bei selbsternannten „Fachpersonen“ . Das äussere Auftreten wirkt stark und selbstsicher, die Ideen wirken innovativ und neuartig. In den Trainings wird dann der Hund absichtlich in ein Flooding (Reizüberflutung) gebracht, um damit dem Hund dann an einem Verhalten zu trainieren. Das wirkt erst einmal so ziemlich imposant für Aussenstehende. Oft wird den Kunden vermittelt dass der Hund immer der Ranghöhere sein möchte, was einfach mal grundlegend falsch ist. Dann werden altertümliche Methoden angewendet mitunter der Alphawurf (den Hund auf den Rücken legen/ schmeissen), Kettenschmeissen und hie und da auch noch Flankentritte. Da sind Leinenrucks und Bedrängung einfach so an der Tagesordnung. Ich möchte nicht dementieren dass man mit solch einer Methodik Erfolg hat, nur zu welchem Preis?

Wenn ein Hund etwas nicht tun soll, zum Beispiel den Pferdeapfel nicht fressen soll, komme ich mit zwei Wegen ans Ziel. Auf dem einten Weg laufe ich mit ihm zum Pferdeapfel hin lasse in ran und gehe dann auf den Hund los, ich schreie ihn an, ich tritt ihm in den Hintern , ich haue ihm eins über, ich kann ihm auch ein Stromhalsband anschnallen und ihm so eine Ladung verpassen dass seine Arschhaare knistern. Der Hund wird in Zukunft jegliche Äpfel meiden.
Und da gibt es noch einen anderen Weg: Ich laufe zum Pferdeapfel hin, angeleint, der Hund zieht zum Apfel, und ich stehe da und sage einfach nichts. Der Hund wird irgendwann überlegen wie er wohl zu Erfolg kommt und denkt sich: „Was meint eigentlich die Alte da hinter mir??“ und genau in diesem Moment belohne ich. Weil ich möchte dass mich der Hunde zurückfragt wenn er was gefunden hat. Je mehr ich in diesem Stil trainiere umso weniger muss der Hund überlegen was zu tun ist, er merkt immer mehr das er sich an seinen Halter orientieren soll und stellt euch mal vor, es gefällt dem Hund. Diese Art von Training lässt sich soweit ausweiten bis der Hund lernt dass er gefundenes verweisen kann und wir darauf reagieren werden.
Zwei Wege, das (fast) gleiche Ziel. Und ratet jetzt mal welcher der Kürzere ist?
Logo…der Erste.
Klar bin ich mit gewaltsamen Methoden schneller Erfolgreich.

Eine Kundin meint mal:
„Es gibt im Hundetraining ja keinen Leitfaden, also kein Richtig oder Falsch…“

Sicherlich gibt es Leitfäden. Es gibt auch Nachschlagewerke für Kynologen und Verhaltenstherapeuten. Nur wissen dass die Hundehalter nicht, da diese Bücher nicht aufpoppen wenn man nach „Hundebuch“ googelt. Somit wissen die Leute ja auch nicht dass die Ausübung des Berufes ja auch seine Komplexität hat. Was eigentlich schade ist.

Trainigsmethoden nach neusten kynologischen Erkenntnissen sind langatmig, komplex und für den Laien wirklich nicht einfach zu verstehen. Wir Trainer nutzen komplizierte Worte wie Desensibilisierung, Erwartungssicherheit, Flooding, Matching Law..das kann einen Hunde-Neuling überfordern. Nicht zu unrecht. Da ist es doch einfacher wenn man zu dem charismatischen, sicher-wirkenden Herrn oder zu der tough–wirkenden Dame geht welche dann einfach sagen: „ Dein Hund ist dominant, der braucht eine starke Hand.“ (Ist einfacher zu verstehen, nid wohr??)

Das Verhalten (IST-Zustand) würde aber eigentlich anders beschrieben werden, zum Beispiel so:
„ Der Hund zeigt eine massive Übererregung auf Umweltreize, eine tierärztliche Abklärung wird empfohlen. Erster Schritt ist es nun die Erregungslage zu senken damit wir einige Signale auftrainieren können welche wir dann später in eine abgeschwächtere Situation einbringen und eventuell sogar als Alternativverhalten verwenden können (Beispiel: Von Stressor zu Signal)

Mich verwundert es schon. In Mitteleuropa drängt jedes Elternteil sein Kind dazu eine Lehre oder einen höheren Abschluss zu machen.“ Wehe du findest keinen Ausbildungsplatz…..“ Dieselben Eltern gehen aber mit dem Hund zu einem Hundetrainer der eine kynologische Einrichtung noch nie von innen gesehen hat?? Sehr bipolar das Ganze. Ich gehe ja schliesslich auch nicht zu einem Arzt der kein Arzt ist und ich hätte ja auch lieber ein geliebtes Möbelstück von einem Möbelschreiner als von IKEA. Die Qualität ist einfach die bessere. Da haben wir das Wort. Qualität!!! Daher bin ich voll dafür dass es für den Beruf des Hundetrainers eine Lehre gibt und ich nicht mehr jeder dahergelaufene Zottel irgendwie „Hundetrainer“ nennen darf und in Reih und Band irgendwelche Hundepsychen schreddert.
Trainings müssen qualitativ hochwertig sein. Wenn ich ein Training gestalte muss es einen Sinn ergeben und es muss förderlich sein. Vor allem sollte es nicht so ausgerichtet sein dass ich an einem Problem Arbeite und Erfolg habe, sich dafür in eine andere Richtung ein anders Problem entwickelt (ich spritze den Hund mit Wasser ab wenn er am Zaun andere Hunde ankläfft, das funktioniert wirklich gut. Dafür geht er jetzt auf den Nachbarshund los wenn wir ihm auf dem Spaziergang treffen(wow, welch ein Wunder)) Wer in einer Hundeschule ist die so arbeitet und auch zertifiziert ist und danach sagt er hätte nichts lernen können, hat meiner Meinung nach das gesamte Konstrukt des Hundetrainings nicht begriffen.
Ein aversiv arbeitender Trainer hatte mal einen Facebook-Kommentar verfasst:
„Der Hund muss eine neue Lösungsstrategie entwickeln“
Sooo, da gebe ich ihm absolut recht. Nur auf welchem Wege denn? Mit Aversion und Flooding oder abgestuften Training basierend auf neuen Trainingsmethoden?
Habe ich die Wahl wähle ich das Zweite. Nur schon weil aversive Trainingsmethoden eigentlich verboten sind und zur Anzeige gebracht werden können.
Es hat einen riesen Haken mit dem „neuen“ Trainingsmethoden, stimmt. Der Halter muss seinen Arsch in die Hose packen, sein Timing und Handling optimieren und sich bewusst sein dass man an sich arbeiten muss. Ja, es ist eine Wissenschaft. Im wahrsten Sinne des Wortes gibt es einen Wissenschaftszweig der das Verhalten und Lerntheorie bei Hunden und anderen Tieren erforscht. Mitunter arbeiten da Verhaltenstierärzte und Biologen. Die arbeiten, um die Tiere besser zu verstehen und bessere Trainingsmöglichkeiten zu schaffen. Schliesslich leben wir nicht mehr wie zu Hitlers Zeiten.
Beispiel:
Hund- Hund Begegnungen auf den Spaziergängen angeleint. Das ist einer der allermeisten Problemen im Alltag mit Hunden. Wenn ich weiss dass mein Hund ein Problem damit hat dann träume ich nicht etwas rum und schwatze mit meiner Kollegin ohne zu achten was um mich rum passiert. Wenn ich also in diese Situation gerate, weil ich unachtsam war, warum um alles in der Welt sollte mein Hund diese Scheisse für mich ausbaden müssen? Wenn ich einen Hund habe der Ressourcen für sich beansprucht, warum kann ich ihm diesen Stress nicht nehmen und seine Ressourcen einfach wegpacken?? In erster Linie gilt schon dass ich eine Zeit lang dafür sorge dass er die Erfahrung nicht mehr sammeln muss. Wenn er das Verhalten nicht mehr zeigen muss dann bekommt der Hund wenig Übung darin es zu optimieren. Dieser Gedanke ist schon für viele Halter sehr abstrus, jedoch ist dies der erste Schritt in allen Trainings wenn es um übermässige Aggression geht. Danach legt man sich einen Plan zurecht und motzt mal ein bisschen an seiner Werkzeugkiste herum und arbeitet über das gewohnte Sitz, Platz und Bleib Ratio hinweg. Mit Werkzeugen sind Signale gemeint und mit Signalen geben wir dem Hund eigentlich nur Hilfestellungen. Zum Beispiel kann ich einem Hund auftrainieren dass aus einem Stressor (etwas das bei ihm passives oder aktives Aggressionsverhalten oder Angst auslöst) ein Signal wird. Als erstes wird schrittweise Desensibilisiert und Gegenkonditioniert damit wir uns sicher sein können das der Hund die Situation nicht mehr so emotional gesteuert wahrnimmt, danach setzten wir ein Alternativverhalten ein. Dieses wird so eingefügt das es für den Hund umsetzbar wird (Distanz, Erregungslage, Tagesform, Gesundheitszustand etc.) und so kommen wir, Schritt für Schritt zu einem Ziel. Manchmal dauert das sehr lange, manchmal erstaunlich kurz. Die Quintessenz spielt hierbei der Halter, denn seine Fähigkeit beeinflusst den Trainingsverlauf massiv.
Haben Sie sich auch schon gefragt warum es einfach Hundehalter gibt die einfach immer so gelassene und zuverlässige Hunde haben? Meistens hat das wenig mit Glück zu tun sondern eher mit der korrekten Rassewahl und der Tatsache dass diese Person einfach Hundeaffin ist. Von der generellen Haltung bis hin zur Trainingssituation sind diese Personen immer on point. Man könnte von Naturtalenten sprechen, oder auch von Leuten die sich über Jahre hinweg optimiert haben.
Für solche Naturtalente ist die Umsetzung mit Markieren und Belohnen (und belohnen heisst nicht immer nur Futter) kein Problem. Es wird in so einer Selbstverständlichkeit und Leichtigkeit umgesetzt dass es wirklich sehr schön zum Zuschauen wird. Bei anderen hackt das markieren gewaltig. Immer 2 Sekunden zu spät bringt nicht wirklich viel. Der Hund ist nun zwei Jahre alt und setzt sich nur hin wenn man ihm sein Futter zeigt? Das ist sicherlich nicht das Endresultat was wir sehen wollen.
Wer in eine Hundeschule geht wo gewaltfrei und nach neusten wissenschaftlichen Erkenntnissen gearbeitet wird und erwartet, das wir mittels Futterregen und Schönwettertänzen die Hunde erziehen liegt schon-mal grundlegend falsch. Unsere Übungen hier bei mir und bei anderen meiner Kolleginnen und Kollegen sind sauber durchdacht so dass der Lerneffekt möglichst hoch ist und bleibt. Es liegt einfach am Halter der es verstehen muss und im Alltag umsetzten kann. Scheitert der Halter, scheitert das ganze Training. Dann bleibt noch der Gang zu einer Person die mit hebeln und brechen arbeitet und dass meine lieben Hundehalter-Schaft, ist im Endeffekt nichts anderes, als einfach nur unfair gegenüber dem Hund. Denn der Hund kann nichts dafür dass sein Mensch einfach nur unfähig ist.