Wo soll ich denn Beginnen? Die Beispiele stauen sich grad in meinem Kopf und möchten raus. Eigentlich bin ich selber ja ganz schlimm wenn es darum geht meine Hunde als Kinder zu behandeln. Da gäbe es ja nichts was ich Ihnen nicht bieten würde, selbst wenn es so teuer ist dass ich auf Ferien verzichten muss. Und Ferienverzicht ist bei vier Hunden nichts Außergewöhnliches.  Jedoch verlange ich auch sehr viel von ihnen, immerhin haben sie schon ziemlich anspruchsvolles Training welches viel von ihnen abverlangt. Zudem ist meine Aufmerksamkeit immer geteilt durch alle und noch den anderen Tieren welche das Zuhause mit uns teilen. Ich denke die sind verwöhnt ja, aber sie arbeiten auch dafür, meistens.

Ich kenne da andere Beispiele, teilweise ganz schlimme Beispiele von Missachtung normaler, hündischer Bedürfnisse. Nur weil es den Besitzern an Wissen fehlt was den hündische Bedürfnisse sind. Beginnend bei der Fütterung und endend in der Erziehung. Von permanenter Überwachung bis hin den Hund jagen zu lassen weil er ja schliesslich Freude daran hat. Bei einigen Erzählungen sieht man mein Augenrollen zwar nicht, aber wenn es ganz leise wäre dann würde man es hören.

Voll Gas rein ins Hundehalter- Leben.

Achtzig Prozent aller Neuhundehalter sind Sprinter. Will heissen dass sie sich wie irre auf den Neuzugang fokussieren. Dieser Fokus verblasst dann nach einigen Monaten, meistens genau dann wenn der Hund dann in die Pubertät kommt. Ja, es ist nach zu vollziehen dass es natürlich ein riesen Ereignis im Leben ist wenn man seinen ersten Hund krieg, dass soll ja auch so sein. Jedoch wird oft übertrieben und der Welpe wird wirklich als Menschenbaby angesehen und nicht als junger Hund. Ich betone ganz klar das Menschen und Hunde zwei sehr differenter Spezies angehören, die sich im Laufe der Evolution und Domestikation eine Symbiose erschafft haben, wie es wahrscheinlich seit der Erdneuzeit noch nie gesehen wurde. Wir können unseren Hunden nichts Schlimmeres antun als von ihnen zu verlangen in eine menschliche Rolle zu schlüpfen. Wenn man es recht bedenkt ist das ja sehr hirnrissig. Zu oft wird Hundeverhalten sehr menschlich interpretiert, wer kann uns das übel nehmen (?), schliesslich sind wir ja Menschen und kennen ja unser Verhalten und die Muster darin. Hundeverhalten zu verstehen setzt einige Voraussetzungen. Zum einen viel Empathie, dies dient dazu dass wir uns in andere Lebewesen hineinversetzten können. Und zum zweiten: Fachwissen. Für das Thema Fachwissen sollte man zu Seminaren und Literatur greifen die von aktuellen, neuen Erkenntnissen stammen und nicht von 1970. Das Fachwissen erstreckt sich über viele Bereiche, denn nebst Training gehört auch, unter anderem, Ernährung, Psychologie, Physiologie und sogar Neuropsychologie zu den Themen, mit denen sich ein Hundehalter befassen sollte. Und dann kommt der Punkt bei dem man so viele Infos im Kopf hat, das man aus allem ein Problem herauslesen könnte.Wenn man da als Hundehalter keinen kühlen Kopf bewahrt, dann knallt es dann mächtig im Oberstübchen. Dann rennen die nämlich von Klinik zu Klinik um ab zu klären wegen Allergien, Gelenksschäden, Hormonhaushalt und Bluttest weil der Hund ja gebarft wird (weil man aber schon fünfzehn Sachbücher innerhalb sechs Monaten gelesen hat, sich aber nicht mehr sicher ist ob man jetzt das richtig macht mit dem Barfen (Spagetti Hirn- sozusagen) Der Hund hat zwei Tage Durchfall, ganz klar Allergiker da gibt es keinen Zweifel. Dann fängt man an zu experimentieren. Dieses Protein, das Protein, gar kein Protein? Kohlenhydrate sind Feinde! Oder doch nicht? Ah ja, doch nur Weizen. Aber Kartoffel ist er ja allergisch, also gehe ich in das Reformhaus und hole mir Bio Quinoa Flocken, handgeerntet von Südamerikanischen Urweltbaum Affen. Jogurt mag er auch nicht so, dann hole ich dieses Skyr. Ist neu, muss ja gut sein. Man sieht auf was das hinausläuft. Am Ende beladen wir den Hundenapf mit allerlei Exotischem (da schreit der gewisse Prozentsatz Klimaschützer in mir) und letzten Endes müssen wir dann doch das Hypoallergene Futter vom Tierarzt verfüttern, wen wundert es bei dem Durcheinander was wir veranstalten, da kommt der Magen-Darm Trakt des Hundes nimmer zur Ruhe. Nicht bei allen Beispielen, aber bei vielen, ist genau dann das der Grund dass viele Hunde Allergiker sind, weil wir sie dazu machen. Angefangen mit zwei Tagen Durchfall, den bei uns Menschen ist der Darmausschuss ja immer perfekt, ha ;). Kaum fressen Hunde nicht geraten wir regelrecht in Panik, er könnte ja gleich auseinander fallen, so klapperdürr wie der ist. Die meisten Hunde sind zu dick. Und auch wenn es nur 1-2 Kilo sind, bei einem Hund mit einem Sollgewicht von ca. 15kg machen zwei Kilo ganz schön was auf die allgemeine Fitness aus. Nein, es gibt dann da auch keine Ausreden wie: „ Der ist so gebaut, das ist die Rasse“, „ das ist die Sofalinie dieser Rasse (wie kommt man auf diesen Stuss. Oder besser gesagt: wer ist so labil und kauft das einem Züchter ab??)  Im Endeffekt haben wir einfach nur allergische und Nahrungsmittel-verwöhnte Hunde. Wer das so mag, soll es so tun. Aber es schadet nicht, sich einmal zu reflektieren.

Weiter im Text geht es mit den Grenzen die zunehmend nicht mehr sichtbar sind. Und zwar sind die Grenzen gemeint die dem Hund gesetzt werden. Nennen wir sie Regeln. Und zwar braucht jede Gesellschaft, jede Partnerschaft und jede Freundschaft einfach Regeln. Ohne, alles andere wäre Utopie, ginge es einfach nicht.

Ich arbeite ausschliesslich gewaltfrei und nach neusten kynologischen Erkenntnissen. Ich schreibe dies auch ,gross, auf meine Homepage aus. Ich habe aber schon daran gedacht dies zu ändern da es oft fehlinterpretiert wird. Gewaltfrei heisst nicht antiautoritär, gewaltfrei heisst nicht dass ich meine Hund keine Grenzen setzte. Gewaltfrei heisst auch nicht dass ich alles prima finde was die Hunde so den ganzen Tag veranstalten wollen. Gewaltfrei heisst: Die erprobte und wissenschaftlich anerkannte Lerntheorie zu kennen und diese gezielt in meinem Training um zu setzen. Im Endeffekt möchte ich dass mein Hund gerne mit mir etwas erarbeitet, das fordert mich, so wie meinen Hund. Und wir können gemeinsam unsere physischen und psychischen Grenzen ausweiten. Das nennt man Team-Work. Das nennt man gewaltfreies Hundetrainig. Nun denn. Ich erlebe es Tag täglich dass viele Hundehalter dies gar nicht wollen. Die kommen dann mal in die Welpen Gruppe und sind eigentlich schon ganz baff wenn dann schon in Lektion eins ein Markersignal aufgebaut wird. In der Welpen Gruppe spielen die ja nur, oder etwa nicht?  Dann gibt es die Langstreckenläufer, diejenigen denen es den Ärmel hineingezogen hat und mit aller Geduld, stetig steigernd an Wissen und Kompetenz, gegenüber ihrem Hund auftreten und auf einer freundschaftlichen Basis eine Bindung aufbauen. Und dann wieder die Sprinter, die binnen zehn Lektionen das gesamte Hunde ABC und am besten noch das Advanced Training reinwürgen wollen. Die, an denen es dann am langen Atem fehlt, irgendwann dem Hund dann alles nachgeben. Hauptsache teures Futter und fünf Tage die Woche in einer Pension zum Spielen (Liebe ist ja käuflich oder nicht?) Ohne die Leitplanken in der juvenilen Lebensphasen, die von Eltern oder auch Ersatzeltern, gesetzt werden driften nicht nur Kinder ab, sondern auch junge Hunde. Ich habe Junghunde erlebt die bis zum ersten Lebensjahr kein einziges Signal umsetzten konnten. Die keinerlei Fertigkeiten und Förderung erhalten haben und deswegen nichts kannten ausser laufen, rennen und sich mit anderen herumpöbeln (immerhin steht hinter ihnen ja kein Frauchen oder Herrchen die ihm sagt dass es nicht nötig wäre oder es gar nicht von Bedeutung ist mit jedem Hund einen Kontakt auf zu bauen).Immer mehr Junghunde beissen, weil sie gelernt haben das all ihre Drohgebärden unnütz sind. Viele Junghunde sind beinahe nicht zu bändigen, sind unsicher, hyperaktiv und nicht selbstregulierend. Dafür haben Hunde fünf Betten, vier Geschirre (eines noch für Sonntag) eine eigene Couch, acht Trinknäpfe und siebzehn Leinen. Futter- kanadisches Murmeltier gemischt mit Wasser aus den Dolomiten- natürlich kristallgereinigt. Dann noch einmal im Monat zum Friseur, Wellness muss ja sein.

Und nun die Frage: Wie soll ein Hund in unsere Gesellschaft integriert werden können, wenn wir ihm nicht beigebracht haben wie sie funktioniert? Wie soll ein Hund Sicherheit erlangen, wenn wir ihm nie beigebracht haben wie er sie abholen kann? Wie soll ein Hund überhaupt mit diesem Leben umgehen können, wenn er nur die Sorte von Liebe bekommt die er nicht verstehen kann?

Hunde werden wie Porzellan behandelt. Kaum haben die was, wird um die herumdoktert wie wild. Dabei hat jeder schon beobachten können, wie unglaublich robust Hunde sein können. Meine Hunde haben sich schon so brutal die Nuss angestoßen- ich hätte eine Gehirnerschütterung wenn nicht sogar einen Schädelbruch.

Natürlich reicht es nicht wenn man alle paar Stunden mal nach einer kleinen Wunde sieht. Permanent werden sie betatscht, versorgt, umsorgt und regelrecht in Liebe ertränkt. Ist es ihm zu heiss, zu kalt, durstig, hungrig? Dabei wollen die armen Schweine doch nur mal ihre Ruhe haben. Wir,  in permanentem Mitleid, als würde dem Hund gleich ein Ohr abfallen. Und wir beobachten sie, wenn nicht direkt dann immer im Augenwinkel. Wenn nicht räumlich dann gedanklich. Wir erdrücken, zerquetschen und ersäufen sie, mit unseren Emotionen. Mit unserer, gut gemeinten von Herzen kommender, Liebe. Da haben wir und unsere Hunde bestimmt etwas gemeinsam: Wir mögen das nicht und brauchen auch mal Raum zu Atmen.

Es ergibt sich ein gutes altes Sprichwort zum Schluss: Weniger ist manchmal mehr.